Rest In Peace - Wolfgang Gerz (1952-2023)

Am Morgen des 02.04. ist Wolfgang Gerz für alle unerwartet an einem Herzinfarkt verstorben. Mit ihm hat die deutsche und internationale ILCA – Szene einen herausragenden Segler und Menschen verloren, der eine große Lücke hinterlässt.

Wolfgang, wir werden Dich vermissen und immer in Erinnerung behalten!

Einige seiner über die Jahre engen Weggefährten erinnern sich:

Alexandra Behrens:

Kennengelernt habe ich Wolfgang 2013 bei der Masters WM im Oman am Ende meiner ersten richtigen Lasersaison. Über die Jahre hat sich daraus eine echte Freundschaft entwickelt. Mir fällt es schwer zu schreiben, was Wolfgang, der alte Zausel, eigentlich für mich war. Sicher ist, dass er ein wichtiger Mensch in meinem Leben war und ich ihn sehr vermissen werde. Ich kann noch nicht fassen, dass er nicht mehr da ist. Noch vor vier Wochen haben wir unsere gemeinsame Saison geplant, die im Mai mit der Barcelona Masters Regatta beginnen sollte. Auch die folgende Euromaster Regatta in Calella ist ohne Wolfgang schwer vorstellbar.

Seglerisch war Wolfgang einer unserer Besten. Im Jahr 1981 hat er den Finn Goldcup gewonnen und wurde 5. Im Finn bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Eine weitere Olympiateilnahme in der Soling scheiterte 1992 an der nun hinzugekommenen Konkurrenz aus den neuen Bundesländern. Seit 2008 war Wolfgang bei den Laser Masters WMs erfolgreich am Start. Er wurde in seiner Altersklasse 5 Mal Weltmeister, 2 Mal Vizeweltmeister und 2 Mal Dritter. In letzter Zeit öfter vorkommende Ankündigungen, aufhören zu wollen, wurden zum Glück nicht durch Handlungen bestätigt. So wollte er in diesem Jahr in Thailand wieder voll angreifen. Nach einem Wintertraining auf dem Gardasee und einem optimalen Saisonstart bei der Euromaster Regatta in Malta war er bestens auf die Masters-WM in Thailand vorbereitet. Leider kam ein Bandscheibenvorfall dazwischen.


Neben den großen internationalen Regatten tauchte Wolfgang auch hin und wieder bei für einen Bayern eher weit entfernten Wochenendregatten auf. So konnten wir ihn mehrmals am Wittensee, wo er natürlich die Mühle gewann, und sogar hier bei uns in Hamburg begrüßen. Auf dem Weg in seinen Patagonienurlaub voriges Jahr hat er mal so nebenbei die südamerikanische Masterschaft in seiner Altersklasse gewonnen.

Regelmäßiger Gast war Wolfgang in Cabarete in der Dominikanischen Republik, zum Segeln, Regattieren, Reisen und auch als Arzt. Dort haben wir im April 2021 gemeinsam mit Wolfgangs Lebensgefährtin Uschi und meinem Lebensgefährten Lutz einen der aus unserer Sicht schönsten Urlaube unseres Lebens verbracht. Lutz und ich haben so viel es ging mit Wolfgang trainiert, was uns beide seglerisch immer einen Schritt nach vorn gebracht hat.

Wolfgang hatte unzählige Freunde überall auf der Welt. Durch Wolfgang habe ich sehr viele interessante Menschen kennengelernt und staunte mehr als einmal über die Gastfreundschaft, die wir genießen durften und darüber, dass Wolfgang eigentlich ein echter Promi war.

Auch neben dem Segeln haben wir so einiges gemeinsam erlebt. Wolfgang war eine unerschöpfliche Quelle an Wissen und Geschichten. Unsere gemeinsame zweitägige Wanderung auf den Pico Duarte in der Dominikanischen Republik war so nie langweilig. Man musste allerdings immer gut zuhören, um nicht als „Bratze“ zu gelten. Mehr oder wenig viel Chaos gehörte auch dazu. Nicht gebuchte Hotelzimmer, verpasste Flüge, vergessene Laptops, zu Bruch gegangene, nicht so gut riechende Lebertranflaschen, auf dem Flughafen noch schnell mal Blut abnehmen, um nur einige Highlights zu nennen. Unvergessen ist die Preisverleihung bei der Masters WM 2022. Nach dem Genuss mehrerer special Margueritas, in denen außer Tequila nicht viele andere Zutaten waren, durften wir erst Wolfgangs Tanz auf dem Podium bewundern. Spät in der Nacht klopfte es dann an der Appartmenttür bei Mitbewohner Roger: Flug verpasst. Auch den Anblick von Wolfgang bei der Yogapose „herabschauender Hund“ direkt nach dem Aufwachen wird Roger sicher nie vergessen.

Außer Segler, Trainingspartner, Freund und Kumpel war Wolfgang mit Leib und Seele Arzt. Vielen Menschen, darunter vielen Seglern, bei denen die Schulmedizin ganz oder teilweise hilflos war, konnte er durch seine komplementären Ansätze helfen. Dabei gab es für ihn keine ideologischen Barrieren. Er war ein großartiger Arzt und gleichzeitig ständig Lernender.

Im September 2022 haben wir noch in gemütlicher Mastersrunde in L’Escala, Spanien während der Masters EM Wolfgangs 70. Geburtstag gefeiert. Wir werden ihn alle sehr vermissen.

Michael „Murks“ Nissen:

Das erste Mal das Wolfgang und ich uns trafen war bei einer Finn-Regatta. Das muß 1976 gewesen sein. Er stammte aus einer Familie von Regattaseglern und war von Anfang an sehr ehrgeizig. Bis 1984 haben wir dann im Finn gegeneinander gesegelt und mit einer Pause dann später im Laser.

Wolfgang war ein Wettkämpfer mit dem man gut wettstreiten und auch sonst gut streiten konnte. Wie viele erfolgreiche Sportler war er nicht jedermanns Freund und hatte seine Ecken und Kanten. Ich habe die Gespräche mit ihm geliebt. Er war immer gut informiert und kannte seine Themen im Detail. Als Arzt war er ebenso erfolgreich und eigenwillig wie als Regattasegler. Sein plötzlicher Tod ist mir unbegreiflich. Ich werde ihn vermissen.

Harald Wefers für Wolfgang:

Einen Menschen wie ihn gibt’s nur ein Mal. Wolfgang war der vielschichtigste Mensch, den ich je kennen gelernt habe.

Unsere erste Begegnung war nach meiner Erinnerung 1972 in Steinhude, beim Nesselblatt, an einem eiskalten Wochenende mit erst keinem und dann ganz viel Wind, aber durchgängig gnadenlosem Regen. Wir saßen abends zusammen, sprachen zunächst einige Minuten über die Finnsegelei, den Rest der Nacht aber über die wichtigen Dinge des Lebens für damals um die 20 Jahre alte Männer: Mädels, Musik, Muntermacher, Muckis-machen, Unsinn machen, etc. Das führte uns und einige andere Jungs immer wieder zusammen, wir waren anfangs sicher keine Freunde, aber hatten einen guten Draht zueinander - und kämpften oft genug knochenhart gegeneinander, bis zum Zieldurchgang…

1978 trennten sich zunächst unsere Wege. Wolfgang wurde im Finn immer besser und konstanter, ich stieg nach einer Bandscheiben-OP und um 11 kg geleichtert in Frank Hübners 470 und kämpfte mit ihm ums große Ticket…

Wolfgangs ersten großen Triumph, den überlegenen Gewinn der Finn WM 1981, erlebte ich von Anfang bis Ende mit, war von seinen seglerischen Fähigkeiten, seiner mentalen Stärke begeistert. Wenn wir abends zum Essen rausgingen, war er völlig entspannt, genoss entrückt sein Bier und das Steak - um dann am nächsten Tag vor dem Start lautstark seinen beeindruckten Gegnern seine Ambitionen zu erläutern. Ein ganz klein wenig hat Wolfgang auch für mich gewonnen…

1982 waren Wolfgang und ich bei den Preolympics in Long Beach, Wolfgang natürlich als Finnrecke, ich als 470-Trainer. Was mir in Erinnerung bleibt, ist ein anschließender gemeinsamer Road-Trip in einem riesigen Amischlitten, der auch unser „Zuhause“ war. Wolfgangs Sichtweise auf die besuchten Orte wie unsere Traumstadt San Francisco, den Yosemite Park, den Highway 1 usw. war eine ganz besondere Mischung aus reiner Begeisterung und kritischem Hinterfragen - absolut einzigartig.

Im Laufe der Jahrzehnte entfernten wir uns immer mal wieder, kamen dann wieder näher zusammen - und häufig genug hatten sich zwischenzeitlich unsere Lebenssituationen komplett verändert, was dann wieder ausreichend Stoff für eine weitere gemeinsame Strecke lieferte.

Nicht vergessen werde ich auch die Umstände um Wolfgangs Entschluss, nun doch Medizin zu studieren. Letztendlich gab ein eher zufälliges Gespräch mit Jacques Rogge, damals belgischer Finn Segler, Chirurg und - wie Wolfgang - erklärter Dopinggegner den Ausschlag. Zurück von der EM, schrieb er sich ein…

Über seine überragenden ärztlichen Qualitäten, seine Fähigkeiten, dieses Können auch weiter zu vermitteln, werden sicher andere berichten. Ich bleibe hier ganz persönlich und bin ihm von Herzen dankbar, dass er mich behandelt und wieder in die Lage versetzt hat, ohne größere Schmerzen auf einem Laser zu hocken, und eine Schot länger festzuhalten. Das war Wolfgangs letzter größerer Eingriff in mein fast schon beschaulich gewordenes Leben: Als ich ihm während seines Besuchs im März 2022 erzählte, dass meine Rückkehr ins H-Boot-Regattasegeln mangels geeigneter Mitsegler wieder zu scheitern drohte, schlug er - relativ unerbittlich - vor, das Jammern einzustellen, endlich einen Laser zu kaufen und zukünftig wieder Regatten zu segeln, ohne andere dafür „anbetteln“ zu müssen. Aus seinem Trainings-Revier Dom-Rep heraus organisierte Wolfgang bei Ferdi Z. den Kauf eines Komplett-Sets - und am 06-06-2022 saß ich dank dieses unwiderstehlich argumentierenden wunderbaren Menschen zum ersten Mal in einem Laser…

Lieber Wolfgang, hab‘ eine gute Reise, und komme dort an, wo gute Seelen wie Du - vielleicht auch dann und wann um die Wette segeln.

Dein Harald

Carsten

Das sind traurige Nachrichten und es kommt sehr unerwartet! Wir hatte gerade überlegt ihn noch einmal anzurufen, um seinen geschätzten medizinischen Rat zu erhalten! Ein großartiger Segler setzte die Segel für seine letzte Reise...